26. Januar 2016 Vorfälligkeitsentschädigung und Sondertilgungsrechte

BGH: Die Berücksichtigung von Sondertilgungsrechten bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist Pflicht.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 19.1.2016 (XI ZR 388/14) insoweit die Grundsätze, nach denen Banken eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen haben, erneut bestätigt.

Wann fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung an?

Vorfälligkeitsentschädigungen fallen immer dann an, wenn Darlehensnehmer während der Zinsbindungsphase oder auch vor Abnahme des Darlehens (dann: „Nichtabnahmeentschädigung“) das Darlehen kündigen (z.B.: bei Verkauf der finanzierten Immobilie). Ausnahmeweise fällt die Vorfälligkeitsentschädigung nicht an, wenn das Darlehen noch widerrufen werden kann (siehe hierzu unseren Kreditcheck) oder die vollständige Ausreichung des Darlehens bei bereits 10 Jahre zurückliegt und eine längere Zinsbindung als 10 Jahre vereinbart wurde.

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH hat nunmehr festgestellt, dass Banken die vertraglich eingeräumten Sondertilgungsrechte bei der Vorfälligkeitsentschädigung immer berücksichtigen müssen. Dies bedeutet, dass bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die Bank unterstellen muss, die Sondertilgungen wären für die restliche Zinsbindungszeit vom Darlehensnehmer voll ausgeschöpft worden. Dadurch sinkt der Zinsschaden der Bank, den diese in Form der Vorfälligkeitsentschädigung dem Kunden in Rechnung stellen kann.

Die Fallkonstellation:

Neu an der Entscheidung des BGH vom 19.1.2016 ist, dass diese Regel selbst dann gilt, wenn die Bank in ihren vertraglichen Bestimmungen – in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen – vereinbart, dass die Sondertilgungsrechte eben gerade nicht bei einer Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigt werden sollen. Diese vertragliche Regelung ist nach der Rechtsauffassung des BGH wegen Verstoßes gegen gesetzliche Bestimmungen unwirksam und damit nicht anwendbar.

Folge für Verbraucher:

Verbraucher können verlangen, dass bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung Sondertilgungsrechte berücksichtigt werden. Solche Berechnungen überprüfen Kreditsachverständige und die Verbraucherzentralen. Sind Vorfälligkeitsentschädigungen zu hoch ausgefallen (was nach einer Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes aus Juli 2014 in 2/3 aller Fälle gegeben sei), so kann der Verbraucher die Überzahlung zurückfordern. Zwar verjähren diese Ansprüche innerhalb von 3 Jahren ab Ende des Jahres, in dem die Zahlung erfolgte, in Einzelfällen wird jedoch auch bei länger zurück liegenden Zahlungen eine Aufrechnung dem Verbraucher zum Erfolg verhelfen können. Zur Einzelfallprüfung Ihres Vertrages wenden Sie sich gerne an uns.

Die Begründung der Entscheidung des BGH:

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein. Die beklagte Sparkasse hatte in Verträgen über grundpfandrechtlich abgesicherte Verbraucherdarlehen folgende Regelung für Sondertilgungsrechte innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums verwendet:

„Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt.“

Die gesetzliche Regelung zur Erhebung der Vorfälligkeitsentschädigung findet sich in § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB. Danach hat der kündigende Darlehensnehmer dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht. Die Anspruchshöhe ist nach den für die Nichtabnahmeentschädigung geltenden Grundsätzen zu ermitteln, wonach der maßgebliche Schadensumfang den Zinsschaden und den Verwaltungsaufwand des Darlehensgebers umfasst. Ersatzfähig ist der Zinsschaden, jedoch lediglich für den Zeitraum rechtlich geschützter Zinserwartung des Darlehensgebers.
Die rechtlich geschützte Zinserwartung wird – unter anderem – durch vereinbarte Sondertilgungsrechte begrenzt. Diese begründen ein kündigungsunabhängiges Teilleistungsrecht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung der Valuta ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Mit der Einräumung solcher regelmäßig an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Sondertilgungsrechte gibt der Darlehensgeber von vornherein seine rechtlich geschützte Zinserwartung im jeweiligen Umfang dieser Rechte auf.
Der Bundesgerichtshof stellte hierzu in seinem Urteil fest:

„Von diesen Grundsätzen der Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB weicht die beanstandete Regelung zum Nachteil des Darlehensnehmers ab, indem dessen künftige Sondertilgungsrechte, die die Zinserwartung der Beklagten und damit die Höhe der von ihr im Falle einer Kündigung nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beanspruchenden Vorfälligkeitsentschädigung beeinflussen, bei der Berechnung – generell – ausgenommen werden.“

Die zitierte Klausel des Vertrags ist deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, unvereinbar und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie ist daher unwirksam.

Gerne prüfen wir Ihre Ansprüche!

Quelle: Pressemeldung des Bundesgerichtshofes