13. Juli 2012 Clerical Medical – BGH findet klare Worte zu Gunsten der Anleger

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 11.Juli 2012 nun erstmalig in fünf Verfahren gegen den englischen Lebensversicherer Clerical Medical (CMI) entscheiden können, nachdem die Versicherung dies in früheren Fällen in letzter Sekunde vereiteln konnte. Die Clerical Medical hat sich damit, wie die Pressemeldung des BGH zeigte, keinen Gefallen getan. Der BGH fand deutliche Worte zu Gunsten der Anleger bzw. Lebensversicherungskunden der sog. „With Profit“ Policen, wie z.B. Wealthmaster Noble. Auch bereits aufgelöste Verträge sind von dieser Rechtsprechung betroffen. Es dürfte damit ein echter Durchbruch gelungen sein. Anleger sollten sich fachkundig beraten lassen, sofern sie noch nicht anwaltlich vertreten sind.

Zum einen bestätigte das Gericht, dass die Clerical Medical regelmäßig dazu verpflichtet ist, alle laufenden Auszahlungen zu erbringen, die ohne Vorbehalt in den Versicherungspolicen ausgewiesen sind. Dies gilt unseres Erachtens insbesondere für solche Verträge, die in den Jahren von 1998 bis 2003 abgeschlossen wurden. Die CMI darf daher die Auszahlungen nicht von einem etwa noch bestehenden Guthaben im Vertrag abhängig machen. Insoweit folgte das Gericht weitestgehend der Auffassung des OLG Stuttgart, über welche wir bereits mehrfach berichtet hatten.

Nach den jetzt veröffentlichten grundsätzlichen Feststellungen des BGH dürften für einen Großteil der Lebensversicherungskunden der Clerical Medical Schadenersatzansprüche bestehen. Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass mit zu hohen Renditeerwartungen für die Versicherungsverträge geworben wurde. Auch stellte der BGH fest, dass der englische Versicherer nicht ausreichend über die Funktionsweise der Verträge aufgeklärt hatte. Insbesondere die von der Clerical Medical regelmäßig ausgehändigten Prospekte und Informationsunterlagen dürfte der BGH hier kritisch beurteilt haben. Diese wurden  unseres Erachtens in vielerlei Hinsicht unzureichend gestaltet. Wir gehen daher davon aus, dass die Feststellungen des Bundesgerichtshofes auf eine Vielzahl der Fälle entsprechend angewendet werden können.

Schließlich sind nach Auffassung des BGH auch sogenannte „Marktpreisanpassungen“, welche die CMI beispielsweise bei Kündigung der Verträge vorgenommen hat, unwirksam. Das heißt, dass bei bereits gekündigten Verträgen, bei denen der Auszahlungswert sich aufgrund einer Marktpreisanpassung durch die CMI reduziert hat,  die Anleger ggf. auch jetzt noch weitere Zahlungen von der Clerical Medical verlangen können. Betroffene sollten sich fachkundig beraten lassen.

Der BGH hat die Verfahren sämtlich an die Berufungsgerichte (OLG) zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, da noch weitere Feststellungen zu den Einzelfällen erforderlich sind.

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Weitere Informationen zu den Urteilen können Sie auch der nachfolgend wiedergegebenen Pressemitteilung des BGH entnehmen:

„Nr. 110/2012

Bundesgerichtshof zu Schadensersatz- und Erfüllungsansprüchen gegen den englischen Lebensversicherer Clerical Medical

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in mehreren Verfahren darüber entschieden, welche Ansprüche Versicherungsnehmern, die in den Jahren 2001 und 2002 kreditfinanzierte Lebensversicherungsverträge des Produkttyps „Wealthmaster Noble“ bei dem englischen Lebensversicherer Clerical Medical Investment Ltd. abgeschlossen haben, gegen diesen Versicherer zustehen.

Den Verfahren IV ZR 151/11 und 164/11 lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:

Bei diesen anteilsgebundenen Lebensversicherungen haben die Kläger gegen Zahlung eines Einmalbetrags Anteile an einem „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“, dem „Euro-Pool 2000EINS“ erworben. Die Verträge, die die Kläger jeweils aufgrund einer Werbung durch „Untervermittler“ geschlossen haben, sind eingebettet in ein Anlagemodell „Europlan“; dieses sieht vor, dass die Zinsen für das Bankdarlehen durch vertraglich bedungene Auszahlungen aus der Lebensversicherung zu entrichten sind und im Übrigen durch einen Investmentfonds ein Kapitalstock gebildet wird, der bei Endfälligkeit des Darlehens zu dessen Tilgung verwendet werden soll, während weitere über diesen Zeitpunkt hinausreichende Auszahlungen den Versicherungsnehmern als fortlaufende Rente zur Verfügung stehen sollen.

Nachdem der Wertzuwachs der den Klägern zugeteilten Poolanteile in der Folgezeit nicht ausreichte, um die zunächst getätigten Auszahlungen in vollem Umfang zu decken, reduzierte die Beklagte unter Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen die Anzahl der den Klägern zugewiesenen Anteile und damit den jährlich mitgeteilten Vertragswert.

Die Kläger verfolgen in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Vertragsabschlüssen; sie berufen sich u.a. darauf, dass die Beklagte mit unrealistischen Renditeerwartungen geworben habe bzw. durch ihre Untervermittler habe werben lassen, und verlangen Ersatz des ihnen durch Abschluss der Verträge entstandenen Vertrauensschadens, insbesondere Freistellung von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen. Hilfsweise begehren sie die Erfüllung des Auszahlungsplans ohne Rücknahme von Anteilen.

In der Vorinstanz hat das OLG Stuttgart in beiden Verfahren die Beklagte jeweils zur Erfüllung des in den Versicherungsscheinen festgelegten Auszahlungsplans verurteilt. Die primär geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat es im Hinblick auf das Bestehen dieser Erfüllungsansprüche abgewiesen.

Auf die Revisionen der Parteien hat der Bundesgerichtshof die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Hierfür waren im Wesentlichen folgende Gründe maßgebend:

Auf Grundlage der schriftlichen Vertragsunterlagen ist anzunehmen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung der in den Versicherungsscheinen vorgesehenen Auszahlungspläne nicht unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Kapitaldeckung steht. Die objektive Auslegung der in die Verträge einbezogenen Policenbedingungen der Beklagten ergibt keine wirksame Einschränkung dieser Verpflichtung.

Die vom OLG Stuttgart insoweit ausgesprochenen Verurteilungen konnten nur deshalb nicht bestehen bleiben, weil dieses dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, dass die Parteien den fraglichen Klauseln aufgrund entsprechender Erläuterungen des Vermittlers beim Vertragsabschluss übereinstimmend ein von dem Ergebnis objektiver Auslegung abweichendes Verständnis beigelegt hätten, nicht nachgegangen war. Insoweit bedarf es weiterer Feststellungen.

Weiter hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht allein wegen des Bestehens der vorstehend genannten Auszahlungsansprüche abgewiesen werden durften. Insoweit ist es für einen Schaden ausreichend, dass der abgeschlossene Vertrag sich für die Kläger auch ungeachtet bestehender Erfüllungsansprüche als wirtschaftlich nachteilig darstellt, weil er sie – u.a. aufgrund der eingegangenen Darlehensverpflichtungen – in ihrer wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt und ihren Anlagezielen nicht entspricht. Zu den Schadensersatzansprüchen hat der Senat ferner ausgeführt:

Der Abschluss der Lebensversicherung „Wealthmaster Noble“ stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in erster Linie als ein Anlagegeschäft dar, weshalb die Beklagte wie bei sonstigen Anlagegeschäften auch verpflichtet war, die Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen vollständig über alle Umstände zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren.

In diesem Rahmen muss die Beklagte sich nach § 278 BGB das Handeln und die Erklärungen der tätig gewordenen Untervermittler zurechnen lassen, da sie im Rahmen eines so genannten Strukturvertriebs die mit dem Vertrieb der Lebensversicherung in Deutschland verbundenen Aufgaben selbständigen Vermittlern überlassen hat.

Die bestehenden Aufklärungspflichten hat die Beklagte nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt vor allem dadurch verletzt, dass sie den Klägern ein unzutreffendes, zu positives Bild der zu erwartenden Rendite gegeben hat. Den Klägern wurden Musterberechnungen übergeben, die auf einer Renditeprognose von 8,5 % basieren, obwohl die Beklagte selbst nur eine Rendite von 6 % als realistisch angesehen hat, was in den Hinweisen zu den Musterberechnungen nicht ausreichend deutlich kenntlich gemacht ist.

Des Weiteren war die Beklagte zu einer verständlichen Information darüber verpflichtet, dass sie im Rahmen des von ihr praktizierten Glättungsverfahrens („smoothing“) nach eigenem Ermessen darüber entscheidet, in welcher Höhe eine tatsächlich erzielte Rendite an die Versicherungsnehmer weitergeben wird und in welcher Höhe sie in Reserven fließt. Sie musste ferner darüber aufklären, dass die mit den Beiträgen der Kläger gebildeten Reserven auch zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger anderer Pools verwendet werden können (Problem der Quersubventionierung).

Die in den Policenbedingungen enthaltenen Regelungen zur „Marktpreisanpassung“ hat der Senat für unwirksam erachtet, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen.

In drei weiteren ähnlich gelagerten Fällen hat der Senat die Berufungsurteile ebenfalls mit entsprechenden Begründungen aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

Urteile vom 11. Juli 2012

IV ZR 122/11

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 280/09

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 12. Mai 2011 – 7 U 144/10

und

IV ZR 151/11

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 284/09

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 18. Juli 2011 – 7 U 146/10

und

IV ZR 164/11

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 222/09

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 25. Juli 2011– 7 U 152/10

und

IV ZR 271/10

Landgericht Freiburg – Urteil vom 12. Juni 2009 – 5 O 354/07

Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 18. November 2010 – 4 U 130/09

und

IV ZR 286/10

Landgericht Konstanz – Urteil vom 10. Juni 2009 – 4 O 89/08

Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 30. November 2010 – 9 U 75/09

Karlsruhe, den 11. Juli 2012

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