Mit dem Slogan „Für meine Zukunft sehe ich blau“ hatte die BHW Bausparkasse AG seit 2001 Kunden für ihre Bausparverträge geworben. Bereits im Jahre 1999 wurden von BHW Mitarbeitern für den Tarif Dispo plus folgende Erläuterungen zum „neuen Bausparen“ gegeben:
„Sie haben mit Dispo plus das neue Bausparen gewählt. Dispo plus kann sich als Anlage- und Darlehenskonto dank seiner vielen Gestaltungsmöglichkeiten Ihrer individuellen Lebenssituation anpassen. Nach der von Ihnen erbrachten Sparleistung erhalten Sie ohne Gebühren ein zinsgünstiges Bauspardarlehen. Wenn Sie kein Darlehen in Anspruch nehmen möchten, können Sie von der attraktiven Guthabenverzinsung aus der Sparphase profitieren. Was immer Sie auch wählen: Nicht der Tarif allein, sondern Ihre Wünsche uns Pläne sind entscheidend für den Verlauf des Bausparvertrages.“
Bausparvertrag wird nach 10 Jahren gekündigt
Trotz dieser Wahlfreiheit wurden Bausparverträge im Tarif Dispo plus unlängst massenhaft seitens der BHW Bausparkasse AG mit der Begründung gekündigt, dass die Zuteilungsreife des Bausparvertrages seit mehr als 10 Jahren verstrichen sei und man daher davon ausgehe, dass der Kunde kein Interesse mehr an einem Bauspardarlehen habe. Man wolle deswegen den Vertrag kündigen. Die Kündigungen wurden daraufhin auch ausgesprochen und – trotz entsprechender Proteste, die auch von den Verbraucherzentralen unterstützt wurden – abgerechnet und ausbezahlt. „Für meine Zukunft sehe ich blau“ …oder eher schwarz??
Widersprüchliches Vorgehen
Das Pikante an der Vorgehensweise der BHW Bausparkasse AG ist, dass gerade für den Verzicht auf das Bauspardarlehen ein „Bonus“ in Höhe von 3 % nachträglich auf das gesamte Guthaben und die gesamte Laufzeit des Bausparvertrages im Tarif Dispo Plus versprochen wurde. Selbstverständlich wurde dieser Bonus nunmehr bei den gekündigten und abgerechneten Bausparverträgen auch ausbezahlt.
Allerdings ist das Vorgehen der BHW Bausparkasse sehr fragwürdig und widersprüchlich. Zum einen wurden die Kunden damit geworben, dass deren Wünsche maßgeblich seien und zusätzlich ein attraktiver Bonus dafür winke, dass das Bauspardarlehen nicht in Anspruch genommen wird. Zum anderen werden aber Bausparverträge – ohne eine vertragliche Regelung hierfür getroffen zu haben – mit Verweis auf gesetzliche Kündigungsrechte gekündigt noch bevor die Bausparsumme vollständig angespart ist. Doch damit wird auch der Anspruch auf ein Bauspardarlehen gekündigt, auf welchen die Bausparer ein Recht erworben haben, ja sich sogar über eine – lange Zeit – niedrige Verzinsung des Ansparkapitals und Zahlung einer Abschlussgebühr erkauft haben.
Urteile
Nach anfänglichen Erfolgen der BHW Bausparkasse vor dem Landgericht Hannover zeigt sich nun, dass andere Gerichte, hier insbesondere das Oberlandesgericht Stuttgart, wohl dahin tendieren, solchermaßen begründete Kündigungen der Bausparkassen für rechtswidrig zu erklären.
Nicht nur die BHW Bausparkasse, sondern auch andere Bausparkassen wie die LBS, die Schwäbisch Hall oder die Badenia kündigten unlängst Verträge, wenn die Zuteilungsreife bereits vor mehr als 10 Jahren eingetreten war.
Üblicherweise sehen Bausparkassen in ihren Allgemeinen Bausparbedingungen eine Berechtigung zur Kündigung des Bausparvertrags seitens der Bausparkasse für den Fall, dass das Bauspardarlehen nicht abgenommen wird, nicht vorsahen. Insofern vertreten wir die Rechtsauffassung, dass der Bausparvertrag solange bestehen bleibt, bis die Bausparsumme voll angespart ist. Ab diesem Zeitpunkt gibt es keinen Anspruch mehr auf ein Bauspardarlehen und der Bausparvertrag hat seinen Zweck erreicht.
Dass bei Erreichen der Höhe der Bausparsumme als Guthaben der Vertrag gekündigt werden darf von Seiten der Bausparkasse, hat der Bundesgerichtshof bereits früher entschieden. Vor diesem Zeitpunkt ist allerdings ist die Kündigung seitens der Bausparkasse nicht möglich, jedenfalls aber treuwidrig.
Hoffnung gibt ein Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart (9. Zivilsenat, Beschluss vom 08.10.2015) in einem Verfahren jüngst einen Hinweisbeschluss erlassen, der folgenden entscheidenden Satz enthält:
„Aus diesem Grund ist von einer zumindest konkludent vereinbarten Kündigungssperrfrist auszugehen, solange der Bausparer einen Anspruch auf Gewährung des Bauspardarlehens hat bzw. erwerben kann.“
Bereits mit Urteil vom 23.09.2015 hatte der 9. Zivilsenat des OLG Stuttgart im Zusammenhang mit einem Banksparvertrag ausgeführt, dass die Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz BGB für Banken nicht zur Anwendungen kommen kann. Aber auf diese Vorschrift berufen sich die Bausparkassen, wenn sie Kündigungen aussprechen.
Nachdem nunmehr auch die 7. Kammer des Landgerichts Karlsruhe in einem Urteil vom 09.10.2015 die Kündigung der Badenia Bausparkasse als rechtswidrig ansah, sind wir zuversichtlich, dass sich weitere Gerichte dieser Rechtsauffassung anschließen werden.
Bausparverträge überprüfen
Betroffene Bausparkunden deren Verträge gekündigt wurden, sollten die Rechtsmäßigkeit der Kündigung überprüfen lassen, insbesondere wenn sie rechtsschutzversichert sind.
Weitere Informationen hierzu erhalten Sie auch auf der Homepage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Freiburg, den 28.10.2015