Die Auswirkungen auf die Erbschaftssteuer – was hat sich wirklich geändert?
Das am 01.01.2023 in Kraft getretene Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) hat noch im Jahr 2022 zu einer wahren Welle von Übertragungen von Immobilien an die nachfolgende Generation gesorgt. Aber: Wer nicht in 2022 gehandelt hat, muss nicht unbedingt im Nachteil sein.
Hier lohnt ein genauer Blick auf die Auswirkungen für die Erb- und Schenkungssteuer. Was hat sich denn wirklich geändert?
Steuerliche Bewertung von Immobilen und Grundbesitz – ein Überblick
Die steuerliche Bewertung von Immobilen erfolgt nach dem Bewertungsgesetz (§ 12 Abs. 1 ErbStG). Grundsätzlich hat sich an der Systematik des Bewertungsgesetzes durch das JStG 2022 nichts geändert. Es gelten für Immobilien nach wie vor folgende Bewertungsmethoden:
- Das Vergleichswertverfahren – anzuwenden für Wohneigentum-Teileigentum, Einfamilien- und Zweifamilienhäuser,
- das Sachwertverfahren – anzuwenden für sonstige bebaute Grundstücke und
- das Ertragswertverfahren – anzuwenden für Geschäftsgrundstücke, gemischt bebaute Grundtücke und Mietgrundstücke.
Primär bei Immobilien: Vergleichswertverfahren
Für die Ermittlung des Wertes von (nicht vermieteten) Immobilien nach dem Vergleichswertverfahren gilt:
Sofern der Gutachterausschuss der betreffenden Gemeinde Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren ermittelt hat, wird das Finanzamt auf tatsächlich ermittelte Vergleichswerte zurückgreifen. Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen ermittelten Vergleichspreise. Liegen mehrere Vergleichspreise vor, soll der Durchschnittswert angesetzt werden. Das Finanzamt zieht zusätzliche Vergleichsfaktoren hinzu, die vom örtlichen Gutachterausschuss für geeignete Bezugseinheiten oder den erzielbaren jährlichen Ertrag ermittelt werden. Hieraus können Zu- und Abschläge sich ergeben. Bis zum 31.12.2022 besagte § 177 Abs. 2 BewG, dass auf die von den Gutachterausschüssen ermittelten Daten zurückgegriffen werden kann, wenn diese älter als 2 Jahre zum Bewertungsstichtag waren. Ab dem 01.01.2023 ist der Zeitraum auf 3 Jahre nach Ende des Auswertungszeitraumes erweitert. Liegen also tatsächlich ermittelte Vergleichswerte vor, greift das Finanzamt auf diese zurück.
Sonst: Sachwertverfahren
Die Bewertung von Immobilien nach dem Sachwertverfahren ist in § 189 BewG geregelt. Diese Vorschrift ist bei der Ermittlung des steuerlichen Wertes von Wohnungseigentum, Teileigentum, Ein- und Zweifamilienhäusern anzuwenden, wenn das Vergleichswertverfahren mangels Vorliegens von Vergleichspreisen oder Vergleichsfaktoren nicht anwendbar ist. Auch Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete feststellen lässt und sonstige bebaute Grundstücke werden steuerlich nach dem Sachwertverfahren bewertet. Befinden sich auf dem Grundstück nicht nur Gebäude oder Gebäudeteile, die im Ertragswertverfahren zu bewerten sind (hierzu sogleich), erfolgt die Wertermittlung für die gesamte wirtschaftliche Einheit nach dem Sachwertverfahren.
Getrennte Ermittlung
Bei der Ermittlung ist gem. § 189 Abs. 1 BewG der Gebäudesachwert getrennt vom Bodenwert nach § 190 BewG zu ermitteln. Der Bodenwert ist nach § 189 Abs. 2 BewG der Wert des unbebauten Grundstückes im Sinne des § 179 BewG. Nach § 189 Abs. 3 BewG ergeben der Bodenwert und der Gebäudesachwert den vorläufigen Sachwert des Grundstückes. Der vorläufige Sachwert des Grundstücks ist nach § 191 BewG mit einer Wertzahl nach § 191 BewG zu multiplizieren. Als Wertzahlen sind die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192ff des Baugesetzbuches ermittelten Sachwertfaktoren nach Maßgabe des § 177 Abs. 2 und 3 BewG anzuwenden. Soweit derartige Sachwertfaktoren, also Marktanpassungsfaktoren, nicht zur Verfügung stehen, sind die in Anlage 25 des BewG bestimmten Wertzahlen zu verwenden.
Regionalfaktor
Für die Ermittlung des Gebäudesachwertes ist nach § 190 Abs. 5 BewG ein sog. Regionalfaktor eingeführt worden. Regionalfaktor bedeutet, dass sozusagen die Wertigkeit der Region eine Rolle spielt. Mit welchem Zu- oder Abschlag wird eine Immobilie in der Region verkauft. So ist der Immobilienmarkt z. B. in Freiburg mit einem höheren Faktor zu multiplizieren als der Immobilienmarkt in einem strukturschwachen Raum. Zu berücksichtigen ist auch das Alter des Gebäudes, das heißt die Restnutzungsdauer. Hier hat der Fiskus ebenfalls eine Änderung vorgenommen. Die Restnutzungsdauer von Gebäuden wurde von 70 Jahre auf 80 Jahre erhöht. Im Ergebnis ist weniger abziehbar, was zu einer Erhöhung des steuerlich anzusetzenden Wertes führt.
Ertragswertverfahren bei Mietwohngrundstücken u. Geschäftsgrundstücken
Das Ertragswertverfahren ist anzuwenden für die Bewertung von Mietwohngrundstücken, Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken. §§ 184 und 185 ff. BewG definieren, wie der Ertragswert eines Gebäudes zu berechnen ist.
Geändert wurde, wie bereits beschrieben, die Gesamtnutzungsdauer von Ein- und Zweifamilienhäusern, Mietwohngrundstücken, Wohnungseigentum sowie von gemischt genutzten Grundstücken von 70 auf 80 Jahre.
Liegenschaftszins § 188 BewG. Der Liegenschaftszins ist der Zinssatz, mit dem der Verkehrswert von Grundstücken im Durchschnitt marktüblich verzinst wird. Er ist nach der Grundstücksart und der Lage auf dem Grundstücksmarkt zu bestimmen. Anzuwenden sind die von den Gutachterausschüssen ermittelten örtlichen Liegenschaftszinssätze. Soweit von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stehen, galten festgesetzte Zinssätze nach § 188 BewG. 5 Prozent für Mietwohngrundstücke und 5,5 % für gemischt genutzte Grundstücke. Ein hoher Zinssatz führt in der Regel zu einer niedrigen Immobilienbewertung. Hier hat nun der Gesetzgeber die Anpassung in der Weise vorgenommen, dass dieser an das Marktniveau angepasst wird. Der Liegenschaftszins wurde auf 3,5 % reduziert. Damit steigt der Wert der Gebäude.
Auswirkungen der Änderungen:
Die Anpassungen können insbesondere bei Übertragungen von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen zum Anstieg der Schenkungs-.und Erbschaftssteuer führen, soweit im Einzelfall das Sachwertverfahren einschlägig ist. Betroffen sind auch Mehrfamilienhäuser, bei denen regelmäßig der Ertragswert herangezogen wird.
Vorrangig ist bei beiden vorgenannten Immobilienarten jedoch immer das Vergleichswertverfahren anzuwenden, das im Wesentlichen auf Vergleichsfaktoren oder Vergleichspreisen der örtlich zuständigen Gutachterausschüsse beruht. Dies trifft auf fast alle Ballungsräume und Großstädte zu.
Nur, wenn keine Vergleichspreise vorliegen, ist das Sachwertverfahren einschlägig. In diesen Fällen kann kurzfristiger Handlungsbedarf durch eine vorgezogene Schenkung entstehen.
Fazit und praktische Bedeutung:
Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung aufgegeben, dafür zu sorgen, dass Immobilien gleichwertig zu anderem Vermögen besteuert werden. Mit der zum 1.1.2023 erfolgten Gesetzesanpassung wird bezweckt, dieses Urteil umzusetzen. Es ist damit zu rechnen, dass die steuerlichen Freibeträge ebenfalls angepasst werden. Bislang ist dies aber nicht der Fall.
Steuern sparen für die zukünftigen Erben?
Steuern sparen zu wollen ist für die zukünftigen Erben legitim, aber für den persönlichen Handlungsbedarf sind die eigenen Bedürfnisse vorrangig. Zu berücksichtigen ist bei einer vertraglichen Gestaltung mit den Erben, ob die Immobilie der eigenen Altersvorsorge des Erblassers/ der Erblasserin dienen soll. Zu berücksichtigen ist auch, dass bei mehreren Erben die geltenden Freibeträge auch bei höherer Bewertung durchaus ausreichend sein können. Wichtig ist immer das Ganze zu betrachten: Die Familienkonstellation, ob noch sonstige Vermögenswerte vorhanden sind. Die eigenen Wohnbedürfnisse im Alter. Kann die Immobilie bereits übertragen werden im Wege der Schenkung unter Lebenden? Dann können Freibeträge u.U. mehrfach ausgenutzt werden. Alle 10 Jahre entstehen sie neu. Ist eine Verringerung des anzusetzenden Wertes der Immobilie geboten durch Einräumung eines Nießbrauchs-Rechtes für den/die zukünftige/n Erblasser/in? Steuern lassen sich durch geschickte vertragliche Gestaltungen umgehen.
Unsere Empfehlung: Lassen Sie sich anwaltlich beraten und entscheiden Sie in Ruhe!